Am 1. Januar 2024 trat das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) in Kraft. Die Reform brachte in erster Linie Änderungen im Gesellschaftsrecht mit sich. Gleichwohl hat sie Konsequenzen für das Wirtschaftsstrafrecht. Insbesondere könnte das MoPeG zur Beilegung einer jahrzehntelangen Streitfrage führen, nämlich ob eine Untreue (§ 266 StGB) der Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) nicht nur zum Nachteil der Gesellschafter, sondern auch der Gesellschaft als solcher möglich ist.
Ein Beispiel: A und B sind Gesellschafter der AB-GbR. Sie stellen C formell als Sekretär ein und entlohnen ihn entsprechend. Arbeiten soll C für sein Gehalt aber nicht. Nun stellt sich die Frage, ob A und B dadurch eine Untreue zum Nachteil der AB-GbR begangen haben.
Der Straftatbestand der Untreue gemäß § 266 StGB schützt das Vermögen vor Eingriffen von innen, d.h. vor schädigenden Handlungen von Personen, die zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen verpflichtetet sind. Geschädigter einer Untreue kann nur der Träger des geschädigten Vermögens sein. Bei natürlichen Personen ist der Vermögensträger unproblematisch feststellbar. Auch Kapitalgesellschaften wie die GmbH oder die AG können Geschädigte einer Untreue sein. Denn sie sind als eigenständige juristische Personen selbst Träger des Gesellschaftsvermögens. Wären A und B Gesellschafter einer GmbH, käme deshalb eine Untreue zu Lasten der GmbH in Betracht.
Bei der GbR ist die Vermögensträgerschaft indes weniger eindeutig. Personengesellschaften, zu denen die GbR gehört, zeichnen sich nämlich dadurch aus, dass sie keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzen. Ob eine GbR Trägerin des Gesellschaftsvermögens ist, wurde bisher von den Zivilsenaten und den Strafsenaten des Bundesgerichtshofs (BGH) unterschiedlich beurteilt.
Die Zivilsenate erkennen die Fähigkeit der GbR, Trägerin von Rechten und Pflichten und insbesondere Trägerin des Gesellschaftsvermögens zu sein, grundsätzlich an. Eine Ausnahme gilt nur für bloße Innengesellschaften, also Personengesellschaften, die nicht nach außen am Rechtsverkehr teilnehmen.
Hingegen machen die Strafsenate des BGH die Vermögensträgerschaft von der Rechtspersönlichkeit abhängig. Da eine GbR anders als Kapitalgesellschaften keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt, scheidet die GbR aus Sicht der Strafsenate als Geschädigte einer Untreue aus. Stattdessen stellen die Strafsenate darauf ab, ob die hinter der GbR stehenden Gesellschafter einen Vermögensnachteil erlitten haben. Das ist jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn sie mit der Vermögensminderung einverstanden waren. Das Einverständnis der GbR-Gesellschafter in die Schädigung des Vermögens der GbR wirkt – anders als bei den Kapitalgesellschaften – in Bezug auf sie selbst tatbestandsausschließend. Für unser Beispiel bedeutet das: A und B sind nicht wegen Untreue zu Lasten der GbR strafbar, da sie damit einverstanden waren, C ein Gehalt zu zahlen, ohne Arbeitsleistung von ihm zu verlangen. Dies gilt natürlich nur, wenn A und B die einzigen Gesellschafter der GbR sind.
An ihrer Auffassung halten die Strafsenate auch gegen die Kritik derer, die sich auf die Rechtsprechung der Zivilsenate berufen, in ständiger Rechtsprechung fest. Doch das MoPeG könnte die alte Debatte um den strafrechtlichen Schutz des GbR-Vermögens wieder entfachen. Denn der neue § 713 BGB weist nun ausdrücklich das Gesellschaftsvermögen der GbR zu. Auf den ersten Blick verleiht er der bisherigen Rechtsprechung der Zivilsenate in dieser Frage nunmehr Gesetzeskraft. Aber ob die Strafsenate tatsächlich durch die Neuregelung von ihrer bisherigen Rechtsprechung abrücken und die GbR als mögliche Geschädigte einer Untreue anerkennen, ist gegenwärtig nicht absehbar. Zwar lässt die Neufassung des § 713 BGB eine fortschreitende Personalisierung der GbR erkennen. Doch eine mit Kapitalgesellschaften vergleichbare eigene Rechtspersönlichkeit, die die Strafsenate bisher verlangten, besitzt die GbR auch nach dem MoPeG nicht.
Bis zu einer Positionierung der Strafsenate muss die Rechtslage insofern als unklar gelten.